Minimal Music umfasst verschiedene Musikstile innerhalb der Neuen Musik, die sich ab den 1960er Jahren in den USA entwickelten und von Michael Nyman beeinflusst wurden. Der Begriff „Minimal Art“ stammt aus der Bildenden Kunst und wird auch oft verwendet, um diese postmoderne Musik zu beschreiben.
Minimalismus und Moderne
Die Entstehung
In den 1960er Jahren entstand die Minimal Music aus dem Post-Minimalismus. Ein klarer Startpunkt für diese Bewegung lässt sich jedoch nicht festlegen. Dieses Genre verkörpert die „Idee der Metamorphose“ und distanziert sich von der europäischen Klassik. Es entwickelte sich zu einer Massenbewegung, die Tabus brach und die Genres Pop und Klassik miteinander verband.
Heutzutage wird Minimal Music häufig den Genres Trance und Techno zugeordnet, da rhythmische Bässe, eingängige Melodien und häufige Wiederholungen auch hier dominieren. Traditionelle Kompositionsmethoden, insbesondere die der Avantgarde der 1950er und frühen 1960er Jahre sowie die der seriellen Musik, werden in diesem Kontext ignoriert.
Die zeitgenössische Popmusik zeigt Wechselwirkungen mit der Minimal Music. Produzenten wie Minimal Techno und der Gitarrist Dylan Carlson haben sich Elemente dieser Stilrichtung aus der popkulturellen Musik zu eigen gemacht. Indische und indonesische Gamelan-Musik sowie afrikanische Polyrhythmik tragen ebenfalls zur Vielfalt dieses Genres bei. Auch die Notre-Dame-Schule des 12. und 13. Jahrhunderts, Free Jazz und Psychedelic Rock finden sich in diesem Zusammenhang.
Merkmale der Minimal Music
Im Vergleich zur Kunstmusik ist die Minimal Music einfach gehalten, mit einer modalen Tonalität und wenigen Dissonanzen. Auch die Instrumentierung und Notation sind schlicht. Stilistische Vielfalt prägt die Minimal Music, die sich durch repetitive Strukturen auszeichnet. Kleinste motivistische Zellen, auch als Pattern bekannt, entstehen und können melodischer, rhythmischer oder harmonischer Natur sein. Stabile Harmonien und eine tonale Musiksprache mit vielen Konsonanzen sind ebenfalls charakteristisch für dieses Genre.
Darüber hinaus weist die Minimal Music additive und subtraktive Prozesse auf, bei denen einzelne Noten und motivische Zellen hinzugefügt oder entfernt werden, was zu Veränderungen in der rhythmischen Struktur führt. Phasenverschiebungen, Überlagerungen und Akzentverschiebungen der motivischen Zellen tragen zur Entstehung eines Klangteppichs in verschiedenen Stimmen bei. Phasenverschiebungen entstehen, wenn zwei identische Tonbänder mit unterschiedlicher Geschwindigkeit gleichzeitig abgespielt werden.
Kompositionen wie „Clapping Music“ und „Piano Phase“ sind Beispiele für diesen Stil. Der gewohnte Spannungsaufbau in einer Komposition wird vermieden; stattdessen herrscht Kontinuität. Auch die Klangfarbe und -dichte verändern sich kaum, was den Eindruck erweckt, dass diese Fragmente in einem permanenten musikalischen Kontinuum existieren. Ein erweitertes Zeitverständnis ist ebenfalls ein Merkmal der Minimal Music, sodass Stücke in einer völlig neuen Dimension erlebt werden können, da sie nur wenige Sekunden oder auch Stunden, Tage oder Wochen dauern können.
Komponisten und ihre Werke
Zu den Pionieren der Minimal Music zählen Steve Reich, La Monte Young, Terry Jennings und Terry Riley. Philip Glass bediente sich in seiner Filmmusik zu „Koyaanisqatsi“ ebenfalls der Elemente der Minimal Music und machte sie einem breiten Publikum zugänglich. Weitere Komponisten dieses Genres sind Yann Tiersen, Louis Andriessen und Peter Michael Hamel, während Performance-Künstler wie Ólafur Arnalds und Volker Bertelmann sowie Künstler wie Lubomyr Melnyk sich ebenfalls in dieser Tradition bewegen. Auch Elektronikmusiker wie „Kraftwerk“ und „Tangerine Dream“ greifen Motive der Minimal Music auf.
Beispiele für exemplarische Werke sind Terry Rileys „In C“ aus dem Jahr 1954, La Monte Youngs „The Four Dreams of China“ aus dem Jahr 1962 und Philip Glass’ „Einstein on the Beach“, ein Musiktheater aus dem Jahr 1976. Julius Eastmans „Feminine“ aus dem Jahr 1974 und Simeon ten Holts „Canto Ostinato“ aus dem Jahr 1979 zählen ebenfalls dazu.
Mit dem Aufkommen der Tonbandgeräte konnte La Monte Young Frequenzen verändern und Töne modulieren. Er konzentrierte sich auf die Komposition von Stücken in reiner Stimmung, also auf die Akkordverbindungen reiner Intervalle wie Terz, Quinte und Oktave. Ähnlich wie Terry Riley versuchte er, indische und westliche Musikkulturen zu verbinden. Steve Reich hingegen, der Schlagzeug studierte, beschäftigte sich intensiv mit afrikanischen Rhythmuselementen.
Auf der Suche nach seiner eigenen musikalischen Identität brach Philip Glass mit den traditionellen Konventionen und wandte sich einer komplexen indischen Kompositionsweise zu, wodurch er seine eigene Sprache innerhalb dieses Genres entwickelte. Er vertrat die Ansicht, dass der Zuhörer und die Wirkung der Musik über den formalen Strukturen stehen sollten.
Philip Glass „Closing” PCF 2017